Die Vorgeschichte:
Für den Fränkischen Tag führte Christoph Hägele ein Interview mit dem Bamberger Polizeichef Florian Mayer, um endlich ein mal wieder die Sicherheitsdebatte in der Domstadt durch die sogenannte „Migrationsdebatte“ anzuheizen. Hägele ist bereits bei der Berichterstattung über eine Kundgebung gegen den Verschwörungsideologen Daniele Ganser negativ aufgefallen, da sich große Teile seines Artikels lieber mit der selten kritisch eingeordneten Schwurbelei Gansers als mit den Gegenargumenten oder einer fairen Darstellung des Gegenprotests beschäftigten. Verwunderlich war das kaum, er hatte im Vorhinein ja auch behauptet, die Mitte der Gesellschaft sollte „selbstbewusst genug sein, um sich von Ganser weder provozieren noch verängstigen zu lassen.“ Über die gewaltbereite Anhängerschaft Gansers verliert der Journalist dagegen kaum Worte.
Zusammenfassung des Artikels:
Für 2025 möchte er also nun mit dem Bamberger Polizeidirektor über Sicherheit und Migration plaudern, wir fassen diesen rassistischen Artikel hier kurz zusammen:
Nachdem Hägele direkt zynisch fragt, ob das Ankerzentrum „das Leben in Bamberg gefährlicher gemacht“ hat und nicht direkt das von ihm offenbar erhoffte „Ja!“ entgegengeschleudert bekommt, muss er einige Male nachhaken, ob die Bewohner*innen des Ankerzentrums denn nun überproportional viele Straftaten begehen, welche das denn sind und ob und warum es sich dabei so oft um Ladendiebstähle handelt. Florian Mayer zeigt sich daraufhin darüber verwundert, dass Bewohner*innen des Ankerzentrums angeblich häufig teure Artikel stehlen, um „das Diebesgut […] zu Geld“ zu machen.
Hägele sind das aber noch zu wenige Ressentiments und er wirft folgende Frage in den Raum: „Im öffentlichen Diskurs über Flüchtlingskriminalität wird regelmäßig mit sexueller Gewalt argumentiert. Wie steht es darum in Bamberg?“ Da Mayer aber strikt bei den ihm vorliegenden Zahlen bleibt und betont, dass dieser Bereich der Delikte im Bevölkerungsdurchschnitt liegt – wir würden ja eher sagen, das Problem sind Männer und nicht ihre Herkunft, aber nun gut – muss Hägele von den Sexualdelikten wieder weg argumentieren, da es ja sonst nicht um Geflüchtete, sondern echte Probleme dieser Gesellschaft – nämlich Gewalt an Frauen – gehen würde. Mayers Zahlen geben diesen Hinweis ja sogar selbst, wenn er zur riesigen Überraschung der beiden Gesprächsteilnehmenden tatsächlich feststellen muss, dass „Tatverdächtige ganz unabhängig von Staatsangehörigkeit und Herkunft eher männlich und eher jüngeren Alters sind“. Faszinierend.
Hägele fragt aber lieber, ob es „Auffälligkeiten bei der Herkunft“ der Täter gebe. Mayer kann sich da direkt festlegen und attestiert pauschal Marrokanern, dass es ihnen an „Respekt vor unserer Rechtsordnung“ mangele.
Weiterführend wird über den Umweg der Debatte über das Attentat in Aschaffenburg über psychische Gesundheit gesprochen, deren Ursachen Mayer aber direkt leugnet. Auf Hägeles Frage, welche Faktoren denn Straftaten begünstigen, antwortet Mayer, dass „schlimme und sozialen Stress auslösende Zustände“ ein solcher Faktor wären, fügt aber zugleich hinzu: „Aber diese Zustände sehe ich im Ankerzentrum aktuell nicht. Die zuständigen Behörden geben sich aus meiner Sicht viel Mühe, um die Geflüchteten gut zu versorgen.“
Das reicht Hägele für seinen Blick von oben herab auf Bambergs entwürdigende Massenunterkunft und er würde nun gern wissen, wo diese Ausländer denn sonst so ihr Unwesen treiben: Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, wie man von der Frage, wo andere Kriminalitäts-Hotspots in Bamberg so seien – Mayer gibt hier eine mehr als schwammige Antwort – auf diese Folgefrage kommt: „Was ist mit Drogengeschäften im Volkspark und Hauptsmoorwald?“ Mayer betont, dass die Sorgen der Anwohner*innen dort ernstgenommen werden, es konnte aber nichts Außergewöhnliches festgestellt werden. Die Klagen der geplagten Anwohner*innen sind aber trotzdem ernstzunehmen, findet Mayer und wirft mit Klischees und Übertreibungen über „Vermüllung von Vorgärten, […] Personentrauben vor Grundstücken oder […] überfüllte Buslinien“ um sich. Das Horrorszenario für ihn: „Selbst die Erfahrung, dass der Wert der eigenen Immobilie durch das benachbarte Ankerzentrum sinkt, kann das subjektive Sicherheitsgefühl negativ beeinträchtigen. Ich spreche hier von niederschwelligen Störungen von Sicherheit und Ordnung.“
Hägele möchte zum Ende die Einschätzung der Polizei zu einer möglichen Schließung des Ankerzentrums hören. Mayer objektifiziert die Menschen im Ankerzentrum dann und sieht „aus rein polizeilicher Hinsicht Vorteile im Ankerzentrum“, nämlich „ein sehr tauglicher Sicherheitsdienst“, „eine Chiperfassung [Anm.: der Geflüchteten] bei den Ein- und Ausgängen“ und eine ständige Videoüberwachung: „Das ermöglicht es uns, Tatverdächtige in der Regel sehr, sehr schnell zu identifizieren.“ Außerdem ist die Polizeiwache ja direkt in der Nähe und „dieser Vorteil wäre bei einer dezentralen Unterbringung in der Innenstadt nicht mehr gegeben.“ Als Argument für die zentrale Unterbringung wird dann noch die angebliche Sicherheit der Geflüchteten selbst vor Anschlägen aufgeführt, bevor sich Mayer schlussendlich überraschend gegen eine Containerunterbringung und verwirrenderweise auch selbst widerspricht, um gegen eine Unterbringung in Massenunterkünften zu werben, denn: „Die Menschen sollten mit dem nötigen Raum zur eigenen Entfaltung untergebracht sein.“
Das Weltbild der Polizei und des FT – eine Analyse:
Christoph Hägele kann als gestandener Journalist beim Fränkischen Tag auf ein Blumenbeet aus Fragen zurückgreifen, die man einem Polizeidirektor so stellen könnte. Er entscheidet sich aktiv für die Fragen, die gestellt worden sind. Drei davon sind Suggestivfragen bzw. welche, auf die Hägele die Antwort eigentlich selbst weiß und sie nur stellt, um das Gespräch in eine Richtung zu lenken: In allen drei Fällen ist diese Richtung die gleiche, nämlich das Bild vom kriminellen Ausländer aus dem Ankerzentrum, vor dem sich die Leute fürchten sollten, zu zeichnen. Hägele ist es wichtiger, diese rassistischen Ressentiments zu bedienen, als sich an den Fakten, die Florian Mayer ihm überraschenderweise zwei Mal sogar liefert, zu orientieren: Dann hätte er nämlich erst über die „Besonderheit“ der vielen Straftaten in Bamberg sprechen müssen, bevor die zweite Ladung Statistik ihn zu einer Frage über Männlichkeit in dieser Gesellschaft geworfen hätte.
Hägele stellt sich selbst in diesem Artikel also lieber als Anwalt der besorgten Bürger und Ideologie des Blockwarts dar und versucht in seinem Interview nicht einmal zu verstecken, dass er liebend gern dem Klatsch und Tratsch aus dem Bamberg Osten darüber, was diese Ausländer denn heute wieder Schlimmes getan haben, nachplappert. Da er sonst auch eher dafür bekannt ist, bei Großdemonstrationen lieber Polizeiberichte abzutippen als sich selbst ein Bild der Menschen auf der Straße zu machen, ist sein völlig unkritischer Journalismus eine Schande für eine freie Presse, die mal wieder wir radikalen Linken in den letzten Jahren so tapfer vor Neonazis, der Polizei oder Querdenkern, mit denen Hägele sich liebend gern zu unterhalten scheint, verteidigt haben.
Florian Mayer hingegen tritt stellvertretend für den Habitus der Bamberger Polizei auf: Er stellt sich oft naiv genug, um in bester „Hubert und Staller“-Manier als der sympathische und nahbare Dorfsheriff wahrgenommen werden zu können, macht aber zugleich klar, dass er die „Law and Order“-Politik dieser Abomination eines Bundeslandes namens Bayern knallhart durchsetzen wird, um die überhand nehmende Kriminalität seiner Stadt zu beenden – willkommen in Gotham, Herr Mayer. Wir haben es also mit einem Hybrid aus Dorfgendarme und Stadtkommissar zu tun, dem altbewährten Mittel von Zuckerbrot und Peitsche. Das macht Bambergs Polizei für vielfältiges Leben auch immer wieder so gefährlich.
Mayers Antworten selbst sind teilweise aber durchaus interessanter, als er und seine Wache es wahrscheinlich gerne hätten: Hägele schafft es nämlich am Ende tatsächlich, seine persönliche Meinung zur Schließung der Massenunterkunft aus Mayer herauszukitzeln und diese scheint sich mit seiner dienstlichen Einschätzung nicht zu decken: Der um den sozialen Frieden bemühte Florian Mayer fände es ideal, „wenn die Geflüchteten in kleinen Gruppen in vorhandenem Wohnraum untergebracht werden“ – der Polizist Florian Mayer aber sieht die Bewohner*innen des Ankerzentrums als sicherheitsgefährdende Objekte, die es wagen, in Gruppen ihre kerkerähnliche Anlage zu verlassen, und nicht als Menschen an, was noch entwürdigender als die Unterbringung dieser Menschen ohnehin bereits ist. Wie man nachts ruhig schlafen kann, wenn man seine eigenen Vorstellungen von der Gesellschaft verrät, um in einer oberfränkischen Provinz-Boulevardzeitung erst zu sagen, dass man ja kein Soziologe sei, dann aber pauschal allen Marrokanern einen mangelnden „Respekt vor unserer Rechtsordnung“ unterstellt, ist uns ehrlich gesagt ein Rätsel – wir sind aber auch keine Polizist*innen.
Sicherheitsdebatten und Bambergs „Besonderheit“ – eine Gegenargumentation:
Tagesaktuelle Themen mit einer aufgeheizten rassistischen Debatte zu verbinden gehört beim oberfränkischen Boulevardblatt zum guten deutschen Ton. Sich lieber mit der Polizei als mit den Menschen, die regelmäßig unter dieser leiden, zu unterhalten, passt da mehr als in Bild. Hier soll zum Schluss dennoch mit einigen Mythen aufgeräumt werden.
Zur Sicherheitsdebatte oder einem vermeintlichen Gefühl der Unsicherheit: Wer das ernsthaft diskutieren will, braucht dazu nicht die Polizei zu fragen, sondern kann die Daten, die diese selbst erhebt einfach lesen und eigene Schlüsse daraus ziehen. Dann sollte sich die Frage stellen, warum Männer so viel mehr Straftaten als Frauen begehen. Wenn die Konsequenz der Zahlen von Statista, die besagen, dass im Jahr 2023 in Deutschland insgesamt 528.823 Männer und 118.551 Frauen völlig unabhängig ihrer Herkunft rechtskräftig verurteilt wurden, allerdings daraus besteht, Straftaten nur auf Seiten der Geflüchteten in den Fokus zu nehmen, dann ist das rassistisch und mehr nicht. Einen Artikel über Sicherheitsbedenken in der Stadt Bamberg ohne rassistische Narrative zu bedienen, findet man auf der Website des Fränkischen Tags seit Beginn 2025 im übrigen nicht.
Zur „Besonderheit“ der vielen Straftaten in Bamberg ist eines klar zu sagen: Wo viel Polizei ist, werden auch viele „Delikte“ festgestellt. Und so einem unterbeschäftigten autoritätsbesessenen jungen Mann, wie es ein Polizist nun mal ist, kommen dann Flausen in den Kopf, wie zum Beispiel: Statt Zufahrtsstraßen bei einer Demo gegen die CSU lieber deren Parteibüro vor der friedlichen Menge mit einem absurden Aufgebot zu schützen und Menschen ihre Bewegungsfreiheit am Bahnhofsvorplatz zu rauben. Oder Journalist*innen, die nicht für den FT arbeiten, durch Platzverweise in ihrer Arbeit zu behindern. Oder wild mit Gefährderansprachen um sich zu werfen, nur weil junge Menschen es wagen, Bier in der Öffentlichkeit zu trinken, wenn der Ersatzkaiser der Deutschen, Frank-Walter Steinmeier, in der Stadt ist oder oder oder…. Kurz gesagt: Es ist schlicht und einfach zu viel Polizei in dieser Stadt unterwegs, als dass sich die Bewohner*innen Bambergs sicher fühlen können.
Rechte Hegemonien als Realität – ein Fazit:
Davon zu sprechen, dass solche Artikel die Debatte verschieben, wäre lächerlich, denn die Debatte ist längst wieder so deutsch wie eh und je: Ob man nun mit Bauchschmerzen nach Afghanistan abschiebt trotz oder wegen leerer Versprechungen für eine „feministische Außenpolitik“, als sozialdemokratische Innenministerin den Ländern nochmal verbal einprügelt, sie mögen doch endlich mehr Ausländer rausschmeißen oder ob man halt die rechte und rassistische CDU mit einem abgewandelten Wahlplakat der NPD oder die in Teilen rechtsextreme AfD mit einem Euphemismus für Deportation ist – das ist alles ekelerregend und die Zustände in diesem Land wie immer unerträglich. Der Fränkische Tag ist also nicht die Ursache, sondern das Symptom einer rassistischen Debatte. An ihr teilzunehmen, dazu hat er sich in Person von Christoph Hägele aber selbst entschieden, wie wir gezeigt haben.
Die Polizei war nie und wird nie für irgendeine Art von Gerechtigkeit sorgen, sondern schafft mehr Probleme als Lösungen. Auch wenn es also weiterhin eine Sisyphosaufgabe ist, sich dem entgegenzustellen, aber wir werden nicht müde das zu tun. Wehrt euch gegen den Rechtsruck und die rassistischen Debatten in diesem Land und besonders: Lest lieber andere Zeitungen als den völlig unkritischen Fränkischen Tag, der nur einer vorherrschenden Ideologie am Hinterbeinchen klebt.
No justice, no peace!
Quellen:
https://www.fraenkischertag.de/lokales/bamberg/politik/kriminalitaet-in-bamberg-wie-gefaehrlich-ist-das-ankerzentrum-art-422566
https://www.fraenkischertag.de/lokales/bamberg/meinung/kommentar-daniele-ganser-sollte-in-bamberg-auftreten-art-375012
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1069906/umfrage/rechtskraeftig-verurteilte-personen-in-deutschland-nach-altersgruppen-und-geschlecht/